Internationale Gesellschaft f�r Wissensorganisation (ISKO) isko.gif (7855 Byte)(Link zur Int. ISKO)
                                   
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G. Rahmstorf: Kognition, Szientographie, Internet-o-metrie

Kommentar hierzu von P. Jaenecke

Wir leben in der Wissensgesellschaft. Das aktuelle Thema in der Wirtschaft ist das Wissensmanagement. Die Politiker wollen ein g�nstiges Klima f�r Bildung, Wissenskommunikation und Innovationen schaffen. Sind das alles nur Schlagworte? Befinden wir uns gerade auf dem H�hepunkt einer kurzfristigen Mode, die von den Fachjournalisten in den Medien gepflegt wird, oder vollzieht sich mit dem Wissen, das seit Jahrhunderten gewonnen, gesammelt und vermehrt wird, gerade jetzt etwas ganz Neues?

Das Gro�artige an dem Thema Wissen ist nicht das Internet und die rasante Entwicklung der Telekommunikation und Computertechnik. Was mich erstaunt, ist, da� wir trotz aller Fortschritte in der kognitiven Psychologie und den Neurowissenschaften nicht verstehen, was unser subjektives Wissen eigentlich ist und wie es in unserem Ged�chtnis codiert ist. Damit h�ngt auch zusammen, da� wir kein Modell von dem objektivierten sprachinvarianten Wissen haben, von dem die einzelnen Texte in dieser oder jener Sprache jeweils nur Ausschnitte oder Bruchst�cke vermitteln.

Wissenstheorie m��te beschreiben k�nnen, was Wissen ist. Dazu m��te man sagen k�nnen, woraus sich das Gesamtwissen zusammensetzt und in welcher Weise bestehendes Wissen durch neues Wissen erweitert wird. Logiker setzten mit dem Begriff oder mit dem Urteil eine Basiseinheit des Wissens an den Anfang. Linguisten versuchen, von der Grammatik der Einzelsprachen ausgehend, aus S�tzen so etwas wie sprachinvariante Propositionen zu abstrahieren und als Wissenseinheiten zu postulieren. Von der Psychologie kommend, ist man geneigt, die durch Wahrnehmung unterscheidbaren Gegenst�nde und die mit diesen Gegenstandsrepr�sentationen verbundenen Kategorisierungen, als Grundeinheiten des Wissens zu betrachten. Denken, Sprache, Wahrnehmung und m�glicherweise weitere Geistest�tigkeiten m��ten daher in einer Wissenstheorie ber�cksichtigt werden.

Eine solche Beschreibung der allgemeinen Eigenschaften von Wissen beliebiger Art, kurz Szientographie genannt, ist nicht dasselbe wie Wissenschaftstheorie. Wissenschaftstheorie befa�t sich mit der Erkenntnis von Tatsachen, mit den Methoden der Erkennens und Schlie�ens, dem Aufbau von Theorien, den Methoden, die Wahrheit sicherstellen, und mit situativen und gesellschaftlichen Faktoren, die die Prozesse von Forschung und Wissenschaft bestimmen. Was Wissen ist, wird dabei nicht explizit gefragt. Der ganze Ansatz der Wissenschaftstheorie ist durch die formale Logik gepr�gt und damit auf einen Aspekt eingeengt.

Wissen wird nur in bestimmten Gebieten und nur im fortgeschrittenen Stadium in Gestalt von formalisierten und quantifizierten Theorien dargestellt. Zum Wissen geh�rt auch das Nichtformalisierbare, das, was nur vage fa�bar ist und das, was wir gar nicht zum Thema von Wissenschaft machen. Wir k�nnen Wissen bisher nicht quantifizieren. Texte lassen sich messen, sind aber nicht mit Wissen gleichsetzbar. Voraussetzung f�r die Quantifizierung von Wissen ist die Beschreibbarkeit von Wissen und damit die Identifizierung von Wissenseinheiten bzw. Ma�einheiten f�r Wissen.

Praxis kommt ohne Theorie nicht aus. Die Theorie der Szientographie sollte helfen, zu anwendbaren Ergebnissen zu kommen. Heute ist Innovationsf�rderung gefragt. Daher sollte ein Ergebnis darin bestehen, da� wir die Grenze zwischen unseren Erkenntnissen und unserem Nichtwissen viel expliziter als bisher angeben k�nnen. Nur wer die L�cken des Wissens kennt, kann gezielt an Erkenntnisgewinn arbeiten. Forschungsgrenzen m�ssen abfragbar gemacht werden k�nnen. Das aber hei�t, da� nicht nur die Einzelheiten des Wissens an der vordersten Front der Forschung in den verschiedenen Fachgebieten vertextet, in der jeweiligen Sprache formuliert und dokumentiert werden, sondern auch, da� die Leerstellen vor der Wissensgrenze auffindbar gemacht werden m�ssen.

Zu einem positiven Klima f�r Innovationen geh�rt nat�rlich auch eine fundierte Sachkenntnis der jeweiligen Materie, zu der Entdeckungen und Erfindungen beigesteuert werden sollen. Diese Sachkenntnis ist eine Bildung in einem Spezialgebiet. Sie besteht nicht nur im Kennen von einzelnen Sachverhalten, sondern im Verstehen von Zusammenh�ngen, Abh�ngigkeiten und anderen Beziehungen zwischen den Gegenst�nden des Fachgebietes. Wissensorganisation f�r Forscher und Entwicklungsabteilungen mu� daher das Orientierungswissen der Spezialisten unterst�tzen. Retrievalsysteme sollten Rechercheergebnisse nicht nur in Listenform ausspucken, sondern gefundene Information und gefundene Wissensl�cken in einer systematischen Ordnung pr�sentieren. Etwas, was schon oft totgesagt wurde, die systematische Klassifikation der Bibliothekare sowie die Thesauren und andere inhaltliche Orientierungsmittel, kommen in methodisch weiterentwickelter Form wieder zu neuem Leben.

Telekommunikation, Datenbanken, Webtechnologie und Computer sind heute Voraussetzungen des wissenschaftlichen und technischen Arbeitens. Entscheidend ist aber jetzt, da� diese Techniken durch Methoden und Programme der Wissensorganisation so erg�nzt werden, da� die Effizienz des Arbeitens und damit auch die Kreativit�t der Wissensgesellschaft weiter vorangebracht wird.

Damit kommen wir zur Modestr�mung des Wissensmanagements zur�ck. Auff�llig ist, da� dieses Thema entweder aus der Sicht der Betriebsorgansisatoren oder aus der Sicht der Softwarespezialisten bzw. der Wirtschaftsinformatiker behandelt wird. Mit dem Thema lassen sich hochkar�tige Seminare f�r Manager f�llen. Eine Fachgesellschaft, die genau das Wissensthema zu ihrer Sache macht oder doch machen sollte, ist die ISKO. Eigentlich m��ten wir sehr gefragt sein. Vielleicht arbeiten wir zu bescheiden im Hintergrund. Versuchen wir also die Br�cke zu schlagen von der Szientographie �ber die praktische Wissensorganisation zur Mitentwicklung von Produkten und zur Beratung der Wirtschaft. Ich m�chte Sie daher, angeregt und unterst�tzt durch den Vorstand der ISKO, insbesondere durch Herrn P. Ohly, bitten, zur 6. Tagung der Deutschen Sektion der ISKO vom 23.-25.9.1999 in Hamburg, Thema "Globalisierung und Wissensorganisation", zu kommen. Abstracts f�r Beitr�ge zu unserem Thema hier oder zu anderen Themen unserer Tagung werden bis zum 30.4.99 erwartet. Weitere Hinweise finden sich im vorl�ufigen Programm.

Prof. Dr. Gerhard Rahmstorf
Oberer Rainweg 57
D-69118 Heidelberg
Tel. 06221-808129
Fax 06221-802682

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8 Mar 1999