Internationale
Gesellschaft f�r Wissensorganisation (ISKO) (Link
zur Int. ISKO) |
|
Kommentare von Peter Jaenecke Rahmstorf: Wir leben in der Wissensgesellschaft. Das aktuelle Thema in der
Wirtschaft ist das Wissens-management. Die Politiker wollen ein g�nstiges Klima f�r
Bildung, Wissenskommunikation und Innovationen schaffen. Sind das alles nur Schlagworte?
Befinden wir uns gerade auf dem H�hepunkt einer kurzfristigen Mode, die von den
Fachjournalisten in den Medien gepflegt wird, oder vollzieht sich mit dem Wissen, das seit
Jahrhunderten gewonnen, gesammelt und vermehrt wird, gerade jetzt etwas ganz Neues? Das
Gro�artige an dem Thema Wissen ist nicht das Internet und die rasante Entwicklung der
Telekommunikation und Computertechnik. Was mich erstaunt, ist, da� wir trotz aller
Fort-schritte in der kognitiven Psychologie und den Neurowissenschaften nicht verstehen,
was un-ser subjektives Wissen eigentlich ist und wie es in unserem Ged�chtnis codiert
ist. Rahmstorf: Damit h�ngt auch zusammen, da� wir kein Modell von dem
objektivierten sprachinvarianten Wissen haben, von dem die einzelnen Texte in dieser oder
jener Sprache jeweils nur Ausschnitte oder Bruchst�cke vermitteln. Rahmstorf: Wissenstheorie m��te beschreiben k�nnen, was Wissen
ist. Rahmstorf: Dazu m��te man sagen k�nnen, woraus sich das
Gesamtwissen zusammensetzt und in welcher Weise bestehendes Wissen durch neues Wissen
erweitert wird. Rahmstorf: Logiker setzten mit dem Begriff oder mit dem Urteil eine
Basiseinheit des Wissens an den Anfang. Linguisten versuchen, von der Grammatik der
Ein-zelsprachen ausgehend, aus S�tzen so etwas wie sprachinvariante Propositionen zu
abstrahie-ren und als Wissenseinheiten zu postulieren. Von der Psychologie kommend, ist
man geneigt, die durch Wahrnehmung unterscheidbaren Gegenst�nde und die mit diesen
Gegenstandsrepr�-sentationen verbundenen Kategorisierungen, als Grundeinheiten des
Wissens zu betrachten. Denken, Sprache, Wahrnehmung und m�glicherweise weitere
Geistest�tigkeiten m��ten da-her in einer Wissenstheorie ber�cksichtigt werden. Rahmstorf: Eine solche Beschreibung der allgemeinen Eigenschaften
von Wissen beliebiger Art, kurz Szientographie genannt, ist nicht dasselbe wie
Wissenschaftstheorie. Rahmstorf: Wissenschaftstheorie befa�t sich mit der Erkenntnis von
Tatsachen, mit den Methoden der Erkennens und Schlie-�ens, dem Aufbau von Theorien, den
Methoden, die Wahrheit sicherstellen, und mit situativen und gesellschaftlichen Faktoren,
die die Prozesse von Forschung und Wissenschaft bestim-men. Was Wissen ist, wird dabei
nicht explizit gefragt. Rahmstorf: Der ganze Ansatz der Wissenschafts-theorie ist durch die
formale Logik gepr�gt und damit auf einen Aspekt eingeengt. Rahmstorf: Wissen wird nur in bestimmten Gebieten und nur im
fortgeschrittenen Stadium in Gestalt von formalisierten und quantifizierten Theorien
dargestellt. Rahmstorf: Zum Wissen geh�rt auch das Nicht-formalisierbare, das,
was nur vage fa�bar ist und das, was wir gar nicht zum Thema von Wis-senschaft machen. Rahmstorf: Wir k�nnen Wissen bisher nicht quantifizieren. Texte
lassen sich messen, sind aber nicht mit Wissen gleichsetzbar. Voraussetzung f�r die
Quantifizierung von Wissen ist die Beschreibbarkeit von Wissen und damit die
Identifizierung von Wissenseinheiten bzw. Ma�einheiten f�r Wissen. Rahmstorf: Praxis kommt ohne Theorie nicht aus. Die Theorie der
Szientographie sollte helfen, zu an-wendbaren Ergebnissen zu kommen. Heute ist
Innovationsf�rderung gefragt. Daher sollte ein Ergebnis darin bestehen, da� wir die
Grenze zwischen unseren Erkenntnissen und unserem Nichtwissen viel expliziter als bisher
angeben k�nnen. Nur wer die L�cken des Wissens kennt, kann gezielt an Erkenntnisgewinn
arbeiten. Forschungsgrenzen m�ssen abfragbar ge-macht werden k�nnen. Das aber hei�t,
da� nicht nur die Einzelheiten des Wissens an der vor-dersten Front der Forschung in den
verschiedenen Fachgebieten vertextet, in der jeweiligen Sprache formuliert und
dokumentiert werden, sondern auch, da� die Leerstellen vor der Wis-sensgrenze auffindbar
gemacht werden m�ssen. Rahmstorf: Zu einem positiven Klima f�r Innovationen geh�rt
nat�rlich auch eine fundierte Sachkenntnis der jeweiligen Materie, zu der Entdeckungen
und Erfindungen beigesteuert werden sollen. Diese Sachkenntnis ist eine Bildung in einem
Spezialgebiet. Sie besteht nicht nur im Kennen von einzelnen Sachverhalten, sondern im
Verstehen von Zusammenh�ngen, Abh�ngigkeiten und anderen Beziehungen zwischen den
Gegenst�nden des Fachgebietes. Rahmstorf: Wissensorganisation f�r Forscher und
Entwicklungsabteilungen mu� daher das Orientierungswissen der Speziali-sten
unterst�tzen. Retrievalsysteme sollten Rechercheergebnisse nicht nur in Listenform
aus-spucken, sondern gefundene Information und gefundene Wissensl�cken in einer
systemati-schen Ordnung pr�sentieren. Rahmstorf: Etwas, was schon oft totgesagt wurde, die systematische
Klassi-fikation der Bibliothekare sowie die Thesauren und andere inhaltliche
Orientierungsmittel, kommen in methodisch weiterentwickelter Form wieder zu neuem Leben.
Telekommunikation, Datenbanken, Webtechnologie und Computer sind heute Voraussetzun-gen
des wissenschaftlichen und technischen Arbeitens. Entscheidend ist aber jetzt, da� diese
Techniken durch Methoden und Programme der Wissensorganisation so erg�nzt werden, da�
die Effizienz des Arbeitens und damit auch die Kreativit�t der Wissensgesellschaft weiter
vorangebracht wird. Damit kommen wir zur Modestr�mung des Wissensmanagements zur�ck.
Auff�llig ist, da� dieses Thema entweder aus der Sicht der Betriebsorgansisatoren oder
aus der Sicht der Soft-warespezialisten bzw. der Wirtschaftsinformatiker behandelt wird.
Mit dem Thema lassen sich hochkar�tige Seminare f�r Manager f�llen. Eine
Fachgesellschaft, die genau das Wis-sensthema zu ihrer Sache macht oder doch machen
sollte, ist die ISKO. Eigentlich m��ten wir sehr gefragt sein. Vielleicht arbeiten wir
zu bescheiden im Hintergrund. Rahmstorf: Versuchen wir also die Br�cke zu schlagen von der
Szientographie �ber die praktische Wissensorganisation zur Mitentwicklung von Produkten
und zur Beratung der Wirtschaft.
Peter Jaenecke , 8 Mar 1999 |