Qualitätssicherung in der Methodenausbildung
durch Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis
Die Arbeitsgemeinschaft Sozialwissenschaftlicher
Institute e.V. (ASI) und die Soziale Welt sind
seit jeher Synonyme für die Verbindung von Wissenschaft
und Praxis. Die ASI zählt nicht nur akademische Institute
als korporative Mitglieder, sondern auch privatwirtschaftlich
betriebene und auf Gemeinnützigkeit gerichtete Forschungsinstitute.
Darüber hinaus hat die Kooperation mit dem Arbeitskreis
Deutscher Markt- und Sozialforschungsinstitute e.V. (ADM)
und dem Berufsverband Deutscher
Markt- und Sozialforscher e.V. (BVM) Tradition. Und für
die Soziale Welt, die im nächsten Jahr im fünfzigsten
Jahrgang erscheinen wird, hat die Programmatik der Gründerväter,
nämlich auf die Praxis des sozialen Lebens zu zielen, sich
nicht nur in ihrem Untertitel erhalten.
Der Austausch von Wissenschaft und Praxis,
das sollte von Anfang an keine Einbahnstraße sein. Es gibt
Anlaß, daran zu erinnern und die je spezifischen Ressourcen
für beide Seiten fruchtbar zu machen - diesmal für
die Qualitätssicherung in der Methodenausbildung.
Zu den extern postulierten und auch von
der Profession selbst akzeptierten Zielen des Faches Soziologie
gehört es, die Qualität der akademischen Lehre so zu
gestalten, daß sie zur beruflichen Qualifizierung geeignet
ist. In Wirklichkeit kann aber heute in einigen Bereichen der
Empirischen Sozialforschung die akademische Ausbildung den Anforderungen
der Praxis nicht mehr genügen, weil z.B. neue technische
Entwicklungen einen immensen Einsatz von Ressourcen erfordern,
der an den Universitäten nicht erbracht werden kann. So
werden die Möglichkeiten der Datenerhebung in der jüngeren
Vergangenheit durch die Einführung von computergestützten
Befragungen mittels Telefon (CATI), tragbaren Computern (CAPI)
und sogar Befragungen via Internet (CAWI) erheblich erweitert.
Diese Entwicklung ist zudem mit gravierenden Veränderungen
im Anforderungsprofil der universitären Ausbildung (z.B.
bezüglich Auswahlverfahren, Fragebogengestaltung, Interviewertraining
etc.) verbunden, denen die Absolventen der Hochschulen mangels
Expertise und Ressourcen an den Hochschulen nicht mehr genügen
können.
So wurden nach Erhebungen des ADM 1996
im privatwirtschaftlich verfaßten Bereich der Markt- und
Sozialforschung bereits 44% der Befragungen mit dem Telefon (CATI)
durchgeführt und über 10% der persönlichen Interviews
mit dem Laptop gewonnen. Demgegenüber ergeben Recherchen
in den Datenbanken des Informationszentrums Sozialwissenschaften
(IZ), daß in den Forschungsprojekten und wissenschaftlichen
Publikationen, in denen auf Befragungen zurückgegriffen
wurde, Telefonumfragen nur eine geringe Rolle spielen. Für
den Zeitraum von 1992 bis 1997 ist das in der IZ-Literaturdatebank
SOLIS nur in 0,5% der Fälle und in der Forschungsinformationsdatenbank
FORIS nur in 1,5% der Fälle geschehen. Während in den
Mitgliedsinstituten des ADM 1996 1.738 CATI-Plätze installiert
waren, waren es zu Beginn des Jahres 1998 in den Universitäten
insgesamt nur etwa 30.
Bei der Bedeutung der Befragung für
die Empirische Sozialforschung und bei der Asymmetrie der Ressourcen
und der in der Praxis entwickelten Kenntnisse einerseits und
der Entwicklung von Theorie, Methodologie und Analyseverfahren
in den Universitäten andererseits liegt ein Austausch zwischen
Praxis und Universität nahe. Alle Recherchen und alle Primärerfahrungen
deuten aber bestenfalls auf einen minimalen Austausch hin. Weder
die Informationen des ADM noch die Ergebnisse einer von der Redaktion
der Zeitschrift planung und analyse durchgeführten
Erhebung, noch die Datenbank Lehre des IZ geben einen
Hinweis darauf, daß das in der Praxis gewonnene Wissen
über Lehraufträge in nennenswertem Umfang in die universitäre
Lehre ein- bzw. zurückfließt
Die Ausbildung an den Universitäten
muß den veränderten Bedingungen Rechnung tragen. Dabei
sind zumindest folgende Punkte zu beachten. Erstens sichern bereits
die etablierten Curricula zumindest eine solide Grundausbildung
in der Empirischen Sozialforschung. Zweitens würde der Wunsch
nach einer flächendeckenden Expansion der Methodenanteile
auf nicht geringen Widerstand in der Profession stoßen.
Drittens muß man in Rechnung stellen, daß man nicht
an allen Universitäten eine Ausbildung in den Methoden der
Empirischen Sozialforschung sichern kann, die den Entwicklungen
in der Praxis Rechnung trägt, weil dafür allein schon
die materiellen Ressourcen fehlen.
Bei allen verständlichen Wünschen
nach Vergleichbarkeit der Studiengänge muß es jedoch
möglich sein, an einigen Universitäten die Ausbildung
in den Methoden der Empirischen Sozialforschung so zu erweitern,
daß den Entwicklungen in der Praxis stärker Rechnung
getragen werden kann und damit den Studenten die Möglichkeit
gegeben wird, ihre Jobfindungschancen zu erhöhen. Dies wäre
einmal durch die verbesserte Ausstattung der Methodenlabors
mit CATI-Arbeitsplätzen möglich. Das allein reicht
aber nicht. Es muß vielmehr für einen verstärkten
personalen Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis Sorge getragen
werden, damit sich aus den je spezifischen Leistungen und Ressourcen
synergetische Effekte ergeben können: Studenten, aber auch
Wissenschaftler praktizieren, Praktiker lehren.
In stärkerem Maße als bisher
üblich sollten sich die privatwirtschaftlich organisierten
Markt- und Sozialforschungsinstitute den Studenten für die
Absolvierung von Praktika öffnen. Die Bemühungen seitens
der Institute und auch des ADM in dieser Hinsicht sind zu begrüßen,
reichen aber noch nicht aus. Der Alltag an den Hochschulen zeigt,
wie schwierig es für Studenten ist, einen der begehrten
Praktikumsplätze zu ergattern. Andererseits müssen
sich auch die Universitäten verstärkt dem in der Praxis
erworbenem Know-how durch die Erteilung von Lehraufträgen
und Gastdozenturen öffnen. Sie können nur gewinnen.
Die ASI übernimmt gern die Koordination
der beiderseitigen Bemühungen und bittet um Vorschläge.
Korrespondenzanschrift:
Prof. Dr. Heinz Sahner, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft
Sozialwissenschaftlicher Institute e.V. (ASI), Lennéstr.
30, 53113 Bonn |